Freitag, 26. Juni 2009, 19:00 bis Samstag, 27. Juni 2009, 18:00, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert-Havemann-Saal, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin Berlin

Das rote Berlin – Arbeiterwiderstand gegen das Nazi-Regime

Die Tagung hat das Ziel, den Widerstand von unten, aus der Arbeiterbewegung und dem sie umgebenden Milieu einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen, Zivilcourage und Entschlossenheit von Menschen zu zeigen, die Nazidiktatur und Rassenwahn überwinden und den Krieg beenden wollten.

Leitung: Dr. Hans Coppi

Freitag, 26. Juni 2009, 19.00-21.00 Uhr Podiumsdiskussion
"Arbeiterwiderstand - ein Desiderat der Widerstandsforschung?"
mit Dr. Hans Coppi (Berliner VVN-BdA), Rüdiger Lötzer (IG Metall Berlin), Dr. Gisela Notz (Historikerin), und Dr. Rainer Sandvoß Prof. Dr. Johannes Tuchel (beide Gedenkstätte Deutscher Widerstand). Moderation: Dr. Heiner Wörmann

Sonnabend, 27 Juni 2009, 11.00-18.00 Uhr Tagung
09,30 bis 11 Uhr Gewerkschaftlicher Widerstand 1933-1935

Marion Goers: Der Deutsche freigewerkschaftliche Metallarbeiterverband (DMV)
Der DMV war vor 1933 die weltweit größte Gewerkschaft, der Berliner Verband zählte zu den mitgliederstärksten Regionalgliederungen. Anhand politischer Biografien lässt sich belegen, dass. der Widerstand aus den Reihen des DMV vielfältig Krieg und bis 1945 andauerte. Durch ein weit reichendes Kontakt-und Informationsnetz bestanden Verbindungen zu Berliner Metallbetrieben Sowohl als auch über den DMV und über Berlin hinaus.

Stefan Heinz: Der kommunistische Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins (EVMB)
Der EVMB Mit seinen 13,000 Mitgliedern gehörte der revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) ein, stand der KPD nahe und in scharfer Konkurrenz zum DMV. Nach dem Verbot des EVMB Ende Februar 1933 versuchten zeitweise bis zu 1,000 Mitglieder, Aktivitäten des Verbandes in der Illegalität aufrechtzuerhalten. Erst 1934/35 kam es zur Auflösung dieser bedeutenden gewerkschaftlichen Widerstandsstruktur.

Moderation: Dr. Elke Reuter

11.30-13 Uhr Widerstand in der Kriegszeit

Hendrik Weipert: Ziele und Aktivitäten der Widerstandsgruppe um Robert Uhrig
Wie entwickelte sich die Gruppe um Robert Uhrig in der Zeit IHRES Bestehens von 1937 bis 1942? Welche Gründe gab es dafür? Wer sollte eigentlich alles zu diesem Kreis gezählt werden? Was lässt sich über den politischen Hintergrund der Aktiven sagen? Wie gestaltete sich die konkrete Arbeit der Gruppe? Welche Rolle spielten die Frauen?

Dr. Annette Neumann und Dr. Bärbel Schindler-Saefkow: Neuorganisation im Kommunistischen Widerstand 1943/44: Anton Saefkow, Franz Jacob und Bernhard Bästlein bauten seit 1942 eine weit verzweigte Untergrundorganisation mit Kontakten in über 70 Berliner Betriebe und zu den Sozialdemokraten Julius Leber und Adolf Reichwein auf. Über 500 Männer und Frauen gehörten der grössten Berliner Widerstandsorganisation ein.

Moderation: Dr. Elke Reuter

13 bis 14 Uhr Mittagspause

14 Uhr Dr. Rainer Sandvoß: Sozialdemokratischer Widerstand in der Kriegszeit

15 bis 17 Uhr Workshops
Trotzkisten, Anarchisten, oppositionelle Kommunisten und Sozialisten

Kleine Gruppen sozialistischer oder kommunistischer Orientierung zeichneten sich durch ein hohes Maß ein individuellem Engagement aus und Konnten ihre Illegalen Strukturen Oftmals über einen erheblichen Zeitraum aufrecht erhalten.
Leitung: Dr. Andreas Graf mit Benjamin Rostalski und Anderen

Widerstand mit und von Zwangsarbeitern
Protestverhalten von Zwangsarbeitern, Solidarität von Hitlergegnern mit ausländischen Arbeitern und Einbeziehung in oppositionelle Aktivitäten
Leitung: Thomas Irmer, Cord Pagenstecher, Gisela Wenzel

17 Uhr Berichte aus den Workshops und Abschluss der Tagung

Gemeinsame Tagung mit der Berliner VVN-BdA und der Stiftung Haus der Demokratie und der Menschenrechte

Wir bitten um Voranmeldung
Eintritt: Fr., 26. Juni 2009 1,50 Euro, Sbd., 27. Juni 2009 5,00 Euro (inkl. Versorgung)

Die Veranstaltung wurde angekündigt in Unser Blatt (Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten [Berliner VVN-BdA] e.V.) Ausgabe 41, Mai 2009, S. 7.

Ein Konferenzbericht von Rainer Holze ist erschienen in Rundbrief 1-2/10; Aktuelles zu Rechtsextremismus und Antifaschismus (Hrsg. AG Rechtsextremismus/Antifaschismus beim Bundesvorstand der Partei DIE LINKE, S. 65-66) und in Unser Blatt, Ausgabe Nr. 42, September 2009, S. 5.

Zudem hat er einen Bericht für die Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung geschrieben (Nr. 79, September 2009, S. 176-179).

Rainer Holze hat im ND, 4.7.2009, S. 20, ebenfalls einen Bericht geschrieben:

Mannigfaltiger, als angenommen. Notizen von einer Tagung über den Berliner Arbeiterwiderstand

Rainer Holze

Am vergangenen Wochenende hatten der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) und der Bildungsverein Helle Panke zu einer Konferenz unter dem Titel »Das Rote Berlin: Arbeiterwiderstand gegen das Nazi-Regime« ins Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin geladen. Anwesend waren auch drei Töchter von zum Tode verurteilten Widerstandskämpfern, die sich verdienstvoll um die Würdigung des Berliner Arbeiterwiderstandes heute im öffentlichen Raum bemühen: Anette Neumann, Bärbel-Schindler-Saefkow und Susanne Riveles. Auch der Sohn des von den Nazis ermordeten Ehepaars Hans und Hilde Coppi, Mitglieder der sogenannten Roten Kapelle, war zugegen.

Hans Coppi, Vorsitzender der Berliner VVN-BdA, diskutierte mit Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Berliner Stauffenbergstraße, und anderen Wissenschaftlern, ob Arbeiterwiderstand gegen Hitler noch ein Desiderat der Widerstandsforschung sei. Sie konnten auf eine ganze Reihe gewichtiger Publikationen verweisen, darunter Arbeiten von Ursel Hochmuth und Rainer Sandvoß und ein demnächst vorgestelltes zwölfbändiges biografisches Lexikon. Jedoch seien die hier angebotenen Rechercheergebnisse in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht bekannt. In der Schule würden Kinder und Jugendlichen über Arbeiterwiderstand nicht informiert. Beklagt wurde auch, dass dieser selbst an Universitäten und Hochschulen nicht fest in Lehre und Forschung verankert sei. Eine stärkere Verbreitung der bisher vorliegenden Arbeiten sowie deren intensive Fortführung seien nötig.

Das Konferenztableau (vorrangig von Elke Reuter moderiert) widerspiegelte die unterschiedlichen Facetten und die beachtliche Breite des Widerstandes von Arbeiterinnen und Arbeitern gegen Diktatur und Krieg. Die Vorträge der Historiker und Publizisten betonten die Zivilcourage der Menschen, die sich gegen das faschistische Regime, Rassenwahn und Vernichtungskrieg auflehnten.

Marion Goers konnte belegen, dass der Widerstand aus den Reihen des Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV) mannigfaltiger war als bisher angenommen und bis Kriegsende andauerte. Stefan Heinz schilderte, wie der kommunistische Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins (EVMB) nach Verbot Ende Februar 1933 bestrebt war, auch unter illegalen Bedingungen aktiv zu bleiben.

Der zweite Block der zweitägigen Konferenz war dem Widerstand in der Kriegszeit gewidmet. Hendrik Weipert informierte, dass neue Forschungen 260 Mitglieder der Gruppe um Robert Uhrig ermittelten - 80 mehr als bisher vermutet. Annette Neumann und Bärbel Schindler-Saefkow berichteten über die Neuorganisation im kommunistschen Widerstand 1943/44.

Den Abschluss bildeten zwei Workshops zum Widerstand von Trotzkisten, Anarchisten, oppositionellen Kommunisten und Sozialisten sowie Aktionen mit und von Zwangsarbeitern. Studenten des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität Berlin trugen selbsterworbene Kenntnisse vor. Das lässt hoffen, dass der Staffelstab in der Forschung und Erinnerung doch weitergereicht wird.

Berliner VVN-BdA und Stiftung Haus der Demokratie und der Menschenrechte

Wo?

Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert-Havemann-Saal
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin Berlin