Dienstag, 20. Februar 2024, 18:00 bis 20:00, Helle Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, Kopenhagener Str. 9, 10437 Berlin

"Draußen vor der Tür"

Zum 30. Todestag des Malers und Grafikers Klaus Tober

Vernissage in der Galerie

"Trio- Litfaßfiguren", 1991, Mischtechnik auf Sperrholz, 105,5x 95 cm

Laudatio: Uwe Warnke - Autor, Verleger und Kurator

Musikalische Begleitung: Jens Prockat - Gitarre, Flöte und Gesang

Die Ausstellung ist zu sehen bis zum 11. Mai 2024.


Die Laudatio von Uwe Warnke dokumentieren wir hier gern im Wortlaut:

Wir liegen immer schief, wenn wir sagen wollten, was geworden wäre. Wenn ein Maler mit 44 Jahren stirbt, reißt ihn das aus einer Schaffensphase, die man auch die besten Jahren nennt. Und genau so sieht es in der Rückschau auch aus: Die Phase des Suchens und Experimentierens hatte mittlerweile fruchtbare Ergebnisse gezeitigt. Die Mauer war gefallen. Ausstellungen reihten sich aneinander. Jetzt hätte es losgehen können. Draußen vor der Tür.
Meine Damen und Herren, ich spreche hier über einige Facetten des hinterlassenen Werkes des Ostberliner Malers Klaus Tober, geboren 1950 und nach einer schweren Krebserkrankung 1994, also im Alter von 44 Jahren, hier in Berlin verstorben. Facetten deshalb, weil jede Ausstellung, so auch diese, immer nur einen kleinen wohl bedachten Ausschnitt aus einem Werk zeigen kann.
Ich lernte den Maler nicht mehr kennen, obwohl ich mich seit 1982 in Ostberliner Künstlerkreisen herumtrieb, Kontakt zu zahlreichen jungen Künstlern und Autoren offensiv suchte und diese mit ihren frühen Arbeiten in meiner illegalen Zeitschrift publizierte. Das sagt auch etwas über Klaus Tober. Ich entdecke da in seiner Haltung den Mecklenburger – ich kenne mich da aus, bin der Herkunft nach, selber einer - , er kam gebürtig aus Parchim. Wortkarg, hin und wieder mit dem Kopf durch die Wand, beharrlich, wenig beeinflussbar, zurückgezogen arbeitend, im Austausch mit einigen wenigen. Er hatte sich 1984 dem Verband bildender Künstler verweigert, die Kandidatur abgebrochen, und in Folge seine konsequente Haltung gelebt. Die Phase von 1984 bis 1989 nannte er selbst seine innere Emigration. Und genau in dieser Zeit findet er seinen Ausdruck, gelingt es ihm, den Zufall als schöpferisches Element auf seinem Weg zu integrieren, ihn für sich nutzbar zu machen. Das war kein unkontrollierter freier Fall, sondern er benutzte ihn, ging prüfend mit ihm um. Was auch eine Herausforderung seinen eigenen Fähigkeiten gegenüber darstellte– und zwar mit offenem Ausgang. Da wurde erschaffen und verworfen, bis zu einer Entscheidung, die den Prozess anhielt. Und diese Entscheidung lag beim Künstler.
Dabei gelang ihm eine Malerei, die mit Konventionen brach, insbesondere in Ostberliner Verbandszusammenhängen. Zitat aus Kreisen der Entscheidungsträger im  Künstlerverband: „Sie passen mit ihren Arbeiten nicht in die Berliner Malerlandschaft.“ … Er stieß in eine Abstraktion vor, die den Gegenstand nur noch erahnen ließ und damit den eigenen Deutungsraum erweiterte, sich der Eindeutigkeit verweigerte. Keine Farbflächenmalerei und doch ein Spiel mit dieser. Wir können in der Suche Klaus Tobers nach neuen, anderen Bildlösungen in den späten 1980er Jahren auch ein Abgrenzungsverhalten gegenüber dem Bestehenden erkennen. Das stieß auf Unverständnis, die in der Engstirnigkeit geschlossener Zirkel zu suchen war. Sich dem zu entziehen war einfach. Das Leben war preiswert, das Atelier billig, die Konsumverheißungen begrenzt. Was brauchte man da noch, wenn es doch um Kunst ging und das Fahrrad vor der Tür stand.
Dass ihn Fotografie zu interessieren begann, wundert nicht. Fotografie ist im besten Sinne zeitgenössischer und subjektiver Ausdruck, festgehalten in einem Moment. Das verbindet diese mit seiner Malerei, die aus einem Prozess entsteht und an einem Moment mit Entschiedenheit als abgeschlossen galt. Doch wie machte er das?
Malen und Collagieren gingen Hand in Hand. Farbflächen wurden Träger von dünnen Japanpapieren. Transparenz und Intransparenz spielten so miteinander. Mit Schwämmen und Bürsten wurden die Flächen bearbeitet, erneut Flächen freigelegt, Farben verändert, aufgelöst – und alles wieder von vorn. Das konnte nur bedingt kontrolliert werden, was von ihm so gewollt war. Bis eben auf diese Weise schließlich ein Zustand erreicht wurde, der als Resultat den Künstler zufrieden stellte. Ein Prozess galt dann als abgeschlossen. Das Bild war fertig. In seinen letzten Jahren galt ihm auch Asche als reines Farb- und Gestaltungsmaterial. Damit war er nicht allein. Wir dürfen aber annehmen, dass der nahende Tod bei der Wahl dieses Materials auch eine Rolle gespielt haben dürfte. Sepia, Braun, Ocker, gelbe Sande, die Wüste – Schlieren eines Endes.
Dass Musik ihm bis zum Schluss wichtig war, sie ihm einen unterstützenden Rhythmus vorgab oder auch durch Klang und Harmonik anregte, ist manchem vielleicht in den Bildern sogar sichtbar. Dass auch Jazz dabei ein Rolle gespielt habe, glaube ich sofort: Improvisation war unser täglich Brot. Und zwar in allen Lebenslagen.
Meine Damen und Herren. Ein sehr großer Teil des Nachlasses von Klaus Tober ging als Schenkung an das Finanzministerium der Bundesrepublik Deutschland. Dort existiert eine Kunstsammlung. Diese wird betreut, Werke können ausgeliehen und in einigen Fällen auch erworben werden. Damit sind die Arbeiten gesichert und es wird mit ihnen gearbeitet. Ein anderer Teil, Zeichnungen, Grafiken, vor allem Arbeiten auf Papier, sind im Besitz von Erna Tober, die für diese Ausstellung Arbeiten mit Bedacht zusammenstellte und auslieh. Ihr gilt unser Dank.
„Bin gleich wieder da“. Ein Zettel mit dieser Aufschrift fand sich nach dem Tod des Künstlers beim Räumen in seinem Atelier. Wie recht er hatte. Er ist nun wieder da, in seinen Arbeiten, vielleicht in diesem Text, auf jeden Fall in diesen Räumen.

Vielen Dank

Uwe Warnke, Berlin 2023/24

Wo?

Helle Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin
Kopenhagener Str. 9
10437 Berlin