Dienstag, 13. November 2012, 19:00, KulturGut Marzahn, Alt Marzahn 23 (Haus 1), 12685 Berlin

Feuer und Flamme

Brennender Protest in der Honecker/Breschnew-Ära

Marzahner Gesellschaftpolitisches Forum

Ausgerechnet der CDU-Kreisvorsitzende Alfred Lautenschläger gab der Volkspolizei zu Protokoll, sich zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe der Michaeliskirche aufgehalten zu haben, an jenem 18. August 1976 im provinzsächsischen Zeitz. Er habe gesehen, wie "diese Person" aus dem Auto gestiegen sei, bekleidet mit langem schwarzen Talar, und die hintere Klappe des PKW-Kombi geöffnet habe, "und ich sah, wie er Schilder herausnahm und diese auf das Dach seines Autos befestigte." Danach habe der Mann eine Milchkanne aus dem Auto geholt, eine Flüssigkeit über sich geschüttet und im nächsten Moment in Flammen gestanden. Daraufhin habe Lautenschläger umgehend im naheliegenden VP-Revier die Polizei geholt. "Mit zwei VP-Angehörigen ging ich sofort zum Ort des Geschehens zurück, um zu helfen. Ich machte diese auf die Transparente aufmerksam und beseitigte diese mit. Meines Erachtens können nicht viele dieses Transparent gelesen haben, da es nur kurze Zeit auf dem Auto stand und falsch zusammengestellt war."
Nach der Wende erinnerte sich noch ein anderer damaliger CDU-Funktionär, der seinen Namen nicht genannt haben wollte: "Er sah uns wortlos an, blickte von einem zum anderen mit seinem verbrannten Gesicht, die gelblich pergamentfarbenen Hände in seinem Schoß." Dieser zweite CDU-Mann war es auch, der Oskar Brüsewitz einen Stuhl herbeischaffte, auf dem der Pastor in eine Decke gehüllt Platz nahm, bis sechs Minuten später der Rettungsdienst eintraf. Brüsewitz stand auf und ging zum Krankenwagen.
Soweit bekannt, hatte der Pfarrer überwiegend Verbrennungen zweiten Grades an etwa 80 Prozent der Körperoberfläche erlitten. Ohne dass seine Angehörigen noch einmal zu ihm gelassen wurden, erlag Oskar Brüsewitz vier Tage später, am 22. August gegen 18 Uhr, seinen Verletzungen.

Was hat in Oskar Brüsewitz' Augen den Christen das Leben in der DDR so unerträglich gemacht, dass er dagegen auf diese Weise meinte protestieren zu müssen? Zu diesem Thema diskutieren und referieren der Historiker und Schriftsteller Karsten Krampitz gemeinsam mit dem Pastor und Brüsewitzfreund Dietmar Meckel. Krampitz wurde 2009 für seine Brüsewitz-Novelle "Heimgehen" mit dem Publikumspreis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs ausgezeichnet. Gefördert mit einem Promotionsstipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet er gegenwärtig an seiner Dissertation zum Staat-Kirche-Verhältnis in der DDR infolge der Selbstverbrennung des Pastors Oskar Brüsewitz.

Moderation: Olaf Michael Ostertag
Kosten: 1,50 Euro

Wo?

KulturGut Marzahn
Alt Marzahn 23 (Haus 1)
12685 Berlin