Donnerstag, 7. Juni 2012, 14:00 bis 21:00, Werkstatt der Kulturen, Wissmannstraße 32, 12049 Berlin

Wohnungsbaugenossenschaften: Genossenschaftsgedanken stärken – Gemeinwohl vor Profit!

Konferenz

Die soziale Polarisierung der Gesellschaft und die Mietpreisentwicklung in großen Teilen der Stadt führen zu einer zunehmenden sozialräumlichen Verdrängung und Ausgrenzung In Berlin. Um gesellschaftlicher Verfestigung von Armut und räumlicher Ausgrenzung entgegen zu wirken, wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin gegründet. Heute werden über 10 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes der Stadt von rund 80 Wohnungsbaugenossenschaften verwaltet. Der Genossenschaftsgedanke hat von seiner Aktualität nichts verloren und 2012 wurde von den Vereinten Nationen zum Jahr der Genossenschaften erklärt.

Gemeinsam mit VertreterInnen von Wohnungsbaugenossenschaften, Politik, Wissenschaft, Berliner Mieterverbänden und Interessierten werden im Rahmen der Konferenz die Möglichkeiten einer Modernisierung des Genossenschaftsgedankens und einer Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erörtert, die Zukunft des genossenschaftlichen Wohnens (Überalterung, Diversifizierung, berufliche Flexibilisierung) beleuchtet, die Rolle von Genossenschaften auf dem Berliner Wohnungsmarkt diskutiert und Anforderungen an Genossenschaften und Politik formuliert, damit demokratisch verfasste und auf sozialen Ausgleich orientierte Genossenschaften, eine Mietpreis dämpfende Politik unterstützen können.

Zeitplan und Ablauf der Konferenz:

14.00 Uhr
Begrüßung durch die Veranstalter Katrin Lompscher (Sprecherin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen) und Dr. Hans Thie (Vorsitzender „Helle Panke“ e. V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin)

14.15 Uhr
„Genossenschaften im 21. Jahrhundert: gesellschaftliche Verankerung, demokratische Verfasstheit und gesetzliche Rahmenbedingungen“
Vortrag Barbara von Neumann-Cosel (Geschäftsführung Genossenschaftsforum e. V.) und Rouven Kober (Institut für Genossenschaftswesen der Philipps-Universität Marburg)

14.45 Uhr
„Anforderungen an die Genossenschaften – Mitgliederorientierung versus betriebswirtschaftliche Orientierung“
Podiumsdiskussion und Debatte mit Barbara von Neumann-Cosel, Rouven Kober, Dr. Gabriele Hiller (Aufsichtsrat WBG „Hellersdorfer Kiez“) und Klaus Lemmnitz (Vorstand Genossenschaft Gewerbehof Saarbrücker Str. e.G.)
Moderation: Dr. Hans Thie

16.00 Uhr
Kaffeepause und Ausstellung „Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin“

16.30 Uhr
„Situation und Probleme der Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin“
Vortrag Frank Schrecker (Vorstandsvorsitzender Wohnungsbaugenossenschaft "Berolina" eG)

16.45 Uhr
„Welchen Beitrag können die Wohnungsbaugenossenschaften zur sozialen Wohnungspolitik in Berlin leisten?“
Podiumsdiskussion und Debatte mit Maren Kern (Vorstand Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V.), Jeannette Albrecht (Vorstand Mietergenossenschaft SelbstBau e.G.) und Dr. Matthias Schindler (Geschäftsführer berolina unternehmensberatungsgesellschaft mbh)
Moderation: Dr. Hans Thie

18.15 Uhr

Imbiss

19.00 Uhr
„Soziale Wohnungspolitik und Zukunft der Genossenschaften – Herausforderungen für die Berliner Politik“
Podiumsdiskussion und Debatte mit Halina Wawzyniak (stellv. Vorsitzende DIE LINKE, MdB und Aufsichtsratsvorsitzende Genossenschaft TLG Fairwohnen i.G.), Katrin Lompscher, Maren Kern, Reiner Wild (Geschäftsführer Berliner Mieterverein e.V.) und Ulf Heitmann (Vorstand Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe e.G.)
Moderation: Uwe Doering (Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Berliner AGH)

Eine Veranstaltung der Hellen Panke in Kooperation mit der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Pressebericht zur Veranstaltung aus der "jungen Welt":

Gemeinwohl vor Profit?
Berlin: Genossenschaften sind keine Garanten für günstiges Wohnen

Christian Linde

Die Rolle von Genossenschaften auf dem Berliner Wohnungsmarkt haben am Donnerstag abend Vertreter von Wohnungsbaugenossenschaften, der Politik, Wissenschaft und Mieterorganisationen diskutiert. Unter dem Motto »Wohnungsbaugenossenschaften: Genossenschaftsgedanken stärken – Gemeinwohl vor Profit!« hatte der Bildungsverein »Helle Panke e.V. Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin« in die Werkstatt der Kulturen im Bezirk Neukölln eingeladen. Zentrale Frage: Ist die zumindest in Teilsegmenten sich seit Jahren abzeichnende Wohnungsnot, die aufgrund der Mietpreisentwicklung zu einer zunehmenden sozialräumlichen Verdrängung führt, mit dem Instrument genossenschaftlichen Bauens zu entschärfen?

Zwar haben Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts Tradition. Doch eine Antwort auf die aktuellen Herausforderungen sind diese nach Experteneinschätzung offenbar nicht. 80 solcher Zusammenschlüsse gibt es heute in der Hauptstadt, und ihr Anteil am Wohnungsbestand macht knapp elf Prozent aus. Allein deshalb ist ihr mietpreisdämpfender Einfluß sehr gering. Dazu kommt: Die Rechtsform der Genossenschaft räumt den Mietern in der Regel zwar mehr Mitspracherechte ein, eine Garantie für günstiges Wohnen stellen diese allerdings nicht dar. Darauf verwies Reiner Wild, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins. Nicht zuletzt deshalb sei es in den letzten Jahren nicht zu »einer Renaissance des Genossenschaftsgedankens« gekommen.

Exklusiv werden die Preise spätestens im Bereich der Neubauprojekte. Übereinstimmend stellten die Experten fest, daß aufgrund der hohen Grundstückspreise ein Mietpreis unter 8,50 Euro netto kalt ausgeschlossen sei. Maren Kern vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen forderte vom Senat deshalb eine konzeptgebundene Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik. In der Vergangenheit seien Genossenschaften aufgrund der Vergabepraxis »nie zu Zuge gekommen«. Der Weg, dem meistbietenden Interessenten ein Grundstück zu überlassenn habe sich als Einbahnstraße erwiesen. Kern plädierte in diesem Zusammenhang für die Bebauung des ehemaligen Tempelhofer Feldes. Um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen sprach sich Katrin Lompscher eher vage »für Förderprogramme« aus. Insgesamt brauche Berlin eine »wohnungspolitische Offensive«. Lob fand die Sprecherin für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus allerdings für den seit Herbst agierenden SPD/CDU-Senat. »Daß es einen wohnungspolitischen Neustart gibt, ist positiv zu werten.«

Die Berliner Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak verwies auf ein Projekt von Parlamentariern der Linksfraktion im Bundestag, die mit einer »TreuhandliegenschaftsGenossenschaft Fairwohnen i.G.« den Verkauf der TLG Immobilien GmbH durch den Bund verhindern will. »Innenminister Schäuble hat die Wahl, ob er die TLG an einen Finanzinvestor verkauft oder an die TLG Fairwohnen, die moderate Mieten bietet.« Woran Wawzyniaks nicht erinnerte: Auch der Berliner Landesverband ihrer Partei stand als Koalitionspartner der SPD 2004 vor dieser Frage. Damals wurde die größte landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, die GSW, vom »rot-roten« Senat für einen Spottpreis an ein Konsortium, bestehend aus den Investmentgesellschaften Whitehall Funds und Cerberus, verscherbelt.

Autor: Christian Linde
in: junge Welt, 9. Juni 2012

Kosten: 5,- Euro (Ermäßigung möglich) - inkl. Versorgung

Wo?

Werkstatt der Kulturen
Wissmannstraße 32
12049 Berlin