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Heft 108: Reiseverkehr zwischen der BRD und der DDR und staatliche Sicherheit

Von: Werner Paulsen

Heft 108: Reiseverkehr zwischen der BRD und der DDR und staatliche Sicherheit

Reihe "Hefte zur ddr-geschichte", Heft 108, 2006, 55 S., A5, 3 Euro plus Versand

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Reihe "Hefte zur ddr-geschichte", Heft 108, 2006, 55 S., A5, 3 Euro plus Versand

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INHALT

1. Politische, staatsrechtliche und sicherheitsrelevante Zusammenhänge
2. Zu Aufgaben und Arbeitsweise der Grenzübergangsstellen
2.1. Funktionen der zuständigen Organe an Grenzübergangsstellen
2.2. Der Passkontrollprozess
2.3. Die Grenzfahndung
2.4. Die Berliner Passkontrolleinheiten
3. Einreisen in die DDR
3.1. Zum Missbrauch der Einreiseregelungen
3.2. Filtrierung und Fahndung im Einreiseverkehr
3.3. Einreise von Persönlichkeiten der BRD und aus Berlin (West)
3.4. Die Ausgestaltung der Regelungen zum Einreiseverkehr
4. Abschließende Überlegungen

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LESEPROBE

Zu den Lebenserfahrungen der heutigen Zeit gehören für viele Menschen Kenntnisse und Erfahrungen zum geordneten Passieren von Grenzen. Jedoch gilt die Abfertigung und Kontrolle an Flughäfen, Straßen und Autobahnen für viele als besondere Situation. Sich auszuweisen bzw. eine Kontrolle der Person, des Fahrzeuges oder des Gepäcks zu akzeptieren, wird meist als lästig empfunden. Selbst bei strikter Einhaltung aller Vorschriften und bei Vermeidung jeglicher Regelverstöße bleibt die Abfertigung an einer Grenzkontrollstelle ein Ereignis, das beim Reisenden besondere Aufmerksamkeit bzw. Aufregung auslöst. Das galt in besonderem Maße für die Grenzen der DDR. In mehr als drei Jahrzehnten erlangten Millionen von Bürgern beider deutscher Staaten dazu eigene Erfahrungen. Bedingt durch den Kalten Krieg hatte jeder Wechsel über die Grenzübergangsstellen politische Bezüge. Durch entspannungsfeindliche Politiker und Medien der BRD wurde die Abwicklung des grenzüberschreitenden Verkehrs recht oft zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR genutzt. Der in dieser Weise politisch akzentuierte Charakter einer Reise war den Menschen in unterschiedlicher Weise bewusst. Demzufolge kam es zu unterschiedlichem Verhalten und sehr differenzierten Wahrnehmungen der Eindrücke bei der Grenzpassage.

Im Widerspruch zu den Realitäten und zum Völkerrecht wurde die DDR als unrechtmäßig verschrien. Das hatte auch Wirkungen auf viele Reisende. Der ständig in der BRD propagierten Lesart folgend, wurden viele Kontrollen als Schikane empfunden. Nach den vielen Jahren einseitiger politischer und medialer Prägungen soll mit der Darstellung der Positionen der DDR das historische Geschehen für den aufgeschlossenen Leser etwas aufgehellt werden.

Die folgenden Darlegungen sind weitgehend auf wichtige Reisearten konzen-triert. Bei der Abfertigung und Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs hatten die Kräfte der Grenzübergangsstellen eine grundlegende Funktion. Vor allem die Grenztruppen, die Zollverwaltung sowie die Passkontrolleure wirkten arbeitsteilig zusammen.

Neben den grundlegenden Aufgaben dieser Kräfte wird nachfolgend besonders auf die Passkontrolle eingegangen. Darüber hinaus leisteten alle Dienstbereiche der zuständigen Linie VI des MfS weitere Beiträge für die staatliche Sicherheit, auf die hingewiesen wird. Dabei muss die militärpolitische Kräftekonstellation beachtet werden. Manche Regelungen und Handlungen der DDR lassen sich nur umfassend verstehen, wenn die Existenz des Kalten Krieges zwischen kapitalistischen und sozialistischen Staaten Berücksichtigung findet. Allmählich setzt sich die realistische Auffassung durch, dass in der Periode des global geführten Kalten Krieges vor allem in den Nachkriegsjahren bis 1960/61 rigorose Methoden gegen die DDR und ihre Partner angewendet wurden. Das führte zu entsprechenden Reaktionen der Sowjetunion und der DDR. Offensichtlich konnte auch die Konsolidierung des Staates DDR mit der Sicherung seiner Grenzen im August 1961 eine Periode einleiten, in der Schritte zur Vernunft und Entspannung möglich wurden.

Das vorliegende Material konzentriert sich nach Darstellung einiger Zusammenhänge zwischen Reiseverkehr sowie staatsrechtlichen und sicherheitsrelevanten Problemen auf Funktion und Arbeitsweise der Grenzübergangsstellen. Es folgen Darlegungen über den Einreiseverkehr. Abschließend wird auf aktuelle Bezüge der Grenzkontrolle gemäß dem Schengener Abkommen verwiesen.

Die schwierige politische Periode von 1949 bis 1961 war von Konfrontation, aber auch von Bemühungen geprägt, die Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage zu erreichen. Deshalb trug die Grenzkontrolle überwiegend polizeilichen Charakter. Die Deutsche Grenzpolizei und das Zollorgan (Amt zur Kontrolle des Warenverkehrs) leisteten in dieser Zeit außerordentlich wertvolle Arbeit. Nach einem kurz gefassten Überblick über die Tätigkeit dieser staatlichen Organe erfolgt die ausführliche Behandlung der Grenzkontrolle im Zeitraum von 1961 bis 1989. Hierbei wird auf die schrittweise Ausgestaltung der Grenzkontrolle durch das arbeitsteilige Wirken von Grenztruppen der DDR, Grenzzollämtern sowie Passkontrolleinheiten des Ministeriums für Staatssicherheit eingegangen. Nach der Benennung der jeweiligen Aufgaben werden das Zusammenwirken der zuständigen Organe sowie die verschiedenen Aktivitäten der Passkontrolle ausführlicher behandelt.

Für das Verständnis der vorbeugenden Abwehr subversiver Angriffe durch das komplexe Handeln verschiedener Dienstbereiche des Ministeriums für Staatssicherheit sind einige Hinweise auf spezifische Angriffe gegen die DDR notwendig. Das erfolgt besonders im Abschnitt über Einreisen in die DDR. Es wird auf Tendenzen und Sachverhalte zum Missbrauch der Einreiseregelungen hingewiesen. Wie erkennbar ist, kann nachfolgend keine lückenlose Behandlung aller Probleme des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs erwartet werden.

An der Bewertung der DDR und ihres Grenzregimes entzünden sich noch immer die Debatten, die von bestimmten Interessenten geführt und gefördert werden. Trotzdem sind einige weitgehend akzeptierte Tatsachen deutlich geworden. Dazu gehören:

· Die DDR war ein souveräner Staat mit allen Rechten und Pflichten;

· Die Regelungen zu Grenzfragen und zum Reiseverkehr waren legitim.

Der angesehene Völkerrechtler Jörg Polakiewicz erklärte in einem 1992 erschienenden Artikel: „Die Reglementierung der Ein- und Ausreise sowie des Grenzübertritts und deren Durchsetzung, notfalls mit Waffengewalt, sind die Attribute eines souveränen Staates, die auch der damaligen DDR nicht vorenthalten werden können.“[1]

Dieses Zitat ist charakteristisch für die Auffassung der Mehrheit der Rechtswissenschaftler der BRD. Bereits 1965 schrieb Professor Karl Doehring in einem Artikel zur Teilung Deutschlands als Problem der Strafrechtsanwendung: „Das Völkerrecht verlangt von keinem Staat, dass er die freie Ausreise zulässt und auf effektive Zwangs- und Kontrollmaßnahmen verzichtet, mag auch die Fortentwicklung der Menschenrechte auf eine Abschwächung der diesbezüglichen Autonomie hin tendieren.“[2]

In ähnlicher Weise artikulierte sich die Mehrzahl der Rechtswissenschaftler der Bundesrepublik, wie Friedrich Wolff in einem gesonderten Abschnitt seines Buches „Einigkeit und Recht. Die DDR und die deutsche Justiz“[3] hervorhebt. Dabei betont Wolff in Auswertung mehrerer Argumentationen unter der Überschrift „Das Urteil der Professoren“: „Die deutsche Rechtswissenschaft hat entgegen dem Mainstream der öffentlichen Meinung – von Ausnahmen abgesehen – eine saubere rechtliche Position eingenommen. Dies ist umso mehr anzuerkennen, als die meisten Rechtslehrer politische Gegner des von der DDR verkörperten politischen Systems waren.“[4]

Obwohl, wie Wolff nachweist, die juristische Aufarbeitung die These vom Unrechtsstaat DDR widerlegt, „nimmt das niemand zur Kenntnis, weil weder die Medien noch die Behörden den wahren Sachverhalt verbreiten, sondern im Gegenteil die Lügen unbeirrt wiederholen“.[5]

[1] Polakiewicz, J.: Verfassungs- und völkerrechtliche Aspekte der strafrechtlichen Ahndung des Schusswaffeneinsatzes an der innerdeutschen Grenze, in: Europäische Grundrechte Zeitschrift 1992, S. 177 ff.
[2] Doehring, K.: Die Teilung Deutschlands ... in: Der Staat, 1965, S. 266.

[3] Wolff, F.: Einigkeit und Recht, Das Neue Berlin 2005.

[4] Ebenda, S. 117–128.

[5] Ebenda, S. 110.

  • Preis: 4.00 €