Ein Prozess in Prag – Das Volk gegen Rudolf Slánský und Genossen
Aus der Reihe „Philosophische Gespräche“ am 3. März 2015 mit Dr. Jan Gerber.
Ein Prozess in Prag – Das Volk gegen Rudolf Slánský und Genossen
Mitschnitt einer Veranstaltung in der Reihe „Philosophische Gespräche“ am 3. März 2015
Referent:
Dr. Jan Gerber (seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Simon-Dubnow-Institut, er leitet dort das Ressort »Ereignis, Politik,
Gesellschaft«)
Im November 1952 fand in Prag der letzte
stalinistische Schauprozess statt. 14 hochrangige Funktionäre des
Staats- und Parteiapparats der Tschechoslowakei, darunter Rudolf
Slánský, der vormalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei,
wurden beschuldigt, sich gegen die volksdemokratische Ordnung
verschworen zu haben. Elf von ihnen wurden zum Tode verurteilt und kurz
darauf gehenkt.
Der Slánský-Prozess unterschied sich nicht nur in
seiner Größendimension, sondern auch durch seinen offen antisemitischen
Charakter von den anderen politischen Prozessen des beginnenden Kalten
Kriegs. Die Mehrheit der Angeklagten war jüdischer Herkunft; parallel
zum Tribunal wurden Juden aus allen mittleren und höheren Positionen des
Staats- und Parteiapparats verbannt. Diese Ausrichtung des Prozesses
war zwar nicht zuletzt dem sowjetischen Interessenwandel im Nahen Osten
geschuldet. Auf einer verborgenen Ebene steht der Slánský-Prozess indes
auch für das Ende der Geltungskraft des Begriffs der Klasse.