Dienstag, 3. August 2021, 10:00 bis 12:00, FMP1, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin

Die erfundene Wahrheit

Prominente, Experten und Spezialisten als Meinungsmacher

Seniorenklub

Der Sachverständige ist in der BRD eine mater dolorosa: rosenumkränzt und rein. Die Volksseele wird durch Politik, Industrie und Werbung angehalten, ihn ikonenhaft als einen ehrlichen und lauteren Menschen zu sehen, der sich nie irrt und auf Grund seines Fachwissens unvoreingenommen und selbstlos urteilt.
Der Stoff, aus dem dieses Märchen gemacht wurde, ist aber seit Dreyfus längst verschlissen. Falsch- und Gefälligkeitsgutachter aller Couleur führen uns täglich vor, dass das Sachverständigenwesen mit zahllosen Experten und Spezialisten zu einem profitablen Geschäft mutiert ist, mitunter sogar nach dem Motto: Die wahren Wahrheiten sind die, die man erfinden kann. Und dieser Zustand darf nicht verändert werden, so die allgemeine Vorgabe.
Dass Politik und interessierte Wirtschaftsgruppen ideologisch gegensteuern müssen, liegt folglich auf der Hand. Eine Verringerung der gesellschaftlichen Akzeptanz hätte verheerende Auswirkungen, sind doch die Experten oft nur geschickt getarnte Erfüllungsgehilfen, die mit „objektiven“ Gutachten oder „überparteilichen“ Stellungnahmen im Rahmen von Beraterfunktionen (z. B. die „Wirtschaftsweisen“ = neoliberale Stichwortgeber der Regierung) in die Herrschaftsstrukturen eingebunden werden und in der Regel nur Vorgaben „wissenschaftlich“ zu begründen haben. Der Sachverständige wird benötigt, um die Macht von Parteien, Berufsverbänden, Industriezweigen und Lobbyisten durchzusetzen.
„Die Berühmtheit mancher Zeitgenossen hängt mit der Blödheit der Bewunderer zusammen", hat Heiner Geißler einmal formuliert. Das trifft ebenso auf die vielen vermeintlichen oder in den Sattel gehobenen oder selbsternannten Prominenten zu. „Denken Sie an all die wertlosen Leute, die uns Tag für Tag als bewundernswerte Vorbilder vorgehalten werden: Filmstars, Politiker, Sportler“, sagt ganz aktuell die Frau des Schriftstellers Emanuel Isidore Lonoff in der Erzählung des US-amerikanischen Schriftstellers Philip Roth „Der Ghost Writer“ aus dem Jahr 1979.
Diese Akteure der erfundenen Wahrheit werden kritisch unter die Lupe genommen, aber auch zahlreiche Beispiele aus der Welt von Gerichtswesen, Kriminalistik und Kriminologie liefern zusätzliche Beweise, u. a. der Fall Dreyfus, der seziert wird.

Referent: Prof. Dr. Frank-Rainer Schurich
Moderation: Christian Beyer

Kosten: 2,00 Euro

Wo?

FMP1
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin