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Heft 110: Anlehnung oder Abgrenzung?

Die Jugoslawienpolitik der DDR bis 1968

Von: Friederike Baer

Heft 110: Anlehnung oder Abgrenzung?

Reihe "hefte zur ddr-geschichte", Heft 110, 2007, 47 S., A5, 3 Euro plus Versand

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Reihe "hefte zur ddr-geschichte", Heft 110, 2007, 47 S., A5, 3 Euro plus Versand

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INHALT

Einleitung
Erste Annäherung
Abgrenzung
Anlehnung
Interessenpolitik versus Ideologie
Schluss

Dokumentenanhang (Abschriften)
Bericht über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der DDR und der FVRJ im Jahre 1956. ddr 110, S. 30-31.
Brief des Präsidenten der FVRJ, Tito, an den Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl. ddr 110, S. 37-38.
Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der DDR und der Föderativen Republik Jugoslawien. ddr 110, S. 32.
Einschätzung der Abkommensverhandlungen zwischen der DDR und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien für 1963. ddr 110, S. 41-42.
Entwurf des Briefes des Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, an den Präsidenten der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, Tito (1957). ddr 110, S. 35.
Entwurf einer Information an die Botschafter der DDR (1958). ddr 110, S. 39-40.
Konzeption für die außenpolitische Zielstellung zum Besuch des Genossen Tito in der DDR (1965). ddr 110, S. 43-44.
Konzeption für die außenpolitische Zielstellung zum Staatsbesuch des Genossen Walter Ulbricht in der SFRJ (1966). ddr 110, S. 45-47.
Schreiben von Richard Gyptner, Hauptabteilungsleiter im MfAA, an den Botaschafter der DDR in Ungarn, Sepp Schwab (1954). ddr 110, S. 33-34.

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LESEPROBE

Einleitung

Die Hauptaufgaben der Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Re­publik bestanden unter anderem darin, günstige internationale Vorausset-zungen für den Aufbau des Sozialismus in der DDR zu schaffen, die politisch-ideologische Einheit und Macht der sozialistischen Länder zu erweitern, normale Beziehungen zu den kapitalistischen Staaten herzustellen sowie den Kampf gegen die Politik der Alleinvertretungsanmaßung der Bundesrepublik Deutschland zu gewinnen.[1] So galt es die diplomatische Aner-kennung des neuen Arbeiter-und-Bauern-Staates zu erzielen. Jedoch offiziell unterstand die Außenpolitik der DDR allgemein den Prämissen der Ideologie und des proletarischen Internationalismus.

Problematisch für den ostdeutschen Staat war, dem Ansatz von Ingrid Muth folgend, dass Außenpolitik eine lange Zeit von der Führung der DDR unter dem Gesichtspunkt eventueller Auswirkungen auf die innere Stabilität und Sicherheit betrieben wurde und dass aus diesem Grund nur ein Reagieren, nicht aber Agieren die Folge war.[2] Somit mussten außenpolitische Schritte nicht nur mit Moskau abgesprochen, sondern auch mögliche Auswirkungen auf die innenpolitische Lage berücksichtigt werden. Gemeinhin wird eine funktionierende Außenpolitik von einem Staat mit stabilen innenpolitischen Verhältnissen praktiziert. Die ostdeutsche Außenpolitik hingegen diente der Führung des Landes zur innenpolitischen Legitimierung bzw. war in der außenpolitischen Handlungsmöglichkeit, bei zu befürchtenden negativen Einflüssen von außen auf die Innenpolitik, eingeschränkt.

Die Beziehungen der DDR zu Jugoslawien waren in dem zu untersuchenden Zeitraum geprägt durch den Kampf der DDR um Anerkennung als zweiter deutscher Staat und durch die Auswirkungen der ideologischen Differenzen aufgrund der verschiedenen Formen des Sozialismus beider Staaten. Gleichwohl war die SED-Führung bereit gegenüber Jugoslawien Kompromisse einzugehen. So wurde die Ideologie in den Hintergrund gedrängt und staatliche/machtpolitische Ziele in den Vordergrund gerückt.

Somit stellt sich die Frage nach der Rolle der Ideologie gegenüber den politischen und wirtschaftlichen Faktoren. Wann mussten die Interessen zur Machterhaltung der Führung in Ostberlin Vorrang haben und wann setzte sich die Erkenntnis durch, außenpolitische Erweiterung der Macht durch kontinuierliche Anerkennungspolitik zu erzielen? Welche innenpolitischen Hemmnisse gab es für die Entwicklung der Jugoslawienpolitik und wie wurden diese umgangen bzw. geregelt? Entfernte sich der Parteichef der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), Walter Ulbricht, von der Linie der Sowjetunion gegenüber Jugoslawien im Zusammenhang mit der einsetzenden eigenständigeren Entwicklung der DDR in den 1960er Jahren? Wie wirkten die gegensätzlichen innen- und außenpolitischen Entwicklungen seit 1948 auf den Ausbau der Kontakte zwischen der SED und dem Bund der Kommunisten Jugoslawiens (BdKJ)?

Wichtig für die Gestaltung der Politik gegenüber Jugoslawien war der Anspruch des ostdeutschen Staates, eine „antiimperialistische, friedliebende und sozialistische Alternative“ zur BRD zu sein. So verwies Ostberlin immer wieder auf die Leiden der Jugoslawen unter den deutschen Besetzern während des Zweiten Weltkrieges und darauf, dass genau diese Leute wieder die Politik des westdeutschen Staates bestimmten.

Doch ebenso hatten unterschiedliche Standpunkte in Grundsatzfragen Einfluss auf die Gestaltung der Beziehungen. Zu nennen wären die Anerkennung der führenden Rolle der Sowjetunion, für die DDR gleichzeitig die Garantiemacht, die Rolle des kommunistischen Lagers als Faktor für den Weltfrieden und der proletarische Internationalismus. So ist Außenpolitik der DDR nicht unabhängig von den bilateralen Beziehungen des Kremls zu dem entsprechenden Land zu betrachten. Als mit Verkündung der Hallstein-Doktrin 1955 die Existenz der DDR seitens der BRD auch außenpolitisch negiert wurde, wurden Garantie und Unterstützung für Ostberlin durch die Sowjetunion noch wichtiger.

Es lässt sich bei Betrachtung der Gestaltung der Außenpolitik gegenüber Jugoslawien der Einschätzung von Benno-Eide Siebs folgen, dass seitens der SED-Führung bis 1955 keine eigenen außenpolitischen Bemühungen erkennbar waren, sich unter Nikita Chruschtschow die DDR zunächst an den großen Linien der Politik der Sowjetunion zu orientieren hatte, aber Einzelheiten durchaus Ostberlin überlassen wurden.[3]

Einen interessanten Aspekt wirft Joachim Scholtyseck in seinem Buch über die Außenpolitik der DDR auf, indem er als ein Desiderat der Forschung feststellt, dass bisher niemand die Frage nach einer eventuellen „Aggressivität“ der Außenpolitik der DDR aufgeworfen habe. Dabei richtet er das Augenmerk unter anderem auf die „Aggressivität im Denken der DDR“ als sozialistischer Vorreiter in einem „Weltbürgerkrieg“.[4] Im Zusammenhang von verschärftem Klassenkampf und dementsprechend des Kampfes um die Anerkennung der DDR als zweiten deutschen Staat lässt sich diese Frage in der Politik gegenüber Jugoslawien untersuchen.

Demzufolge kann „aggressives“ Verhalten oder besser herausforderndes, zielorientiertes und provokatives Verhalten in der Außenpolitik der DDR in dem unbändigen Willen nach internationaler Anerkennung in den Auseinandersetzungen mit der kapitalistischen Bundesrepublik festgemacht werden. Dafür verletzte die Ostberliner Führung notfalls sogar ideologische Grundsätze, welche aus der Zugehörigkeit zum östlichen Lager resultierten. Vor allem Versuche der Parteispitze der SED durch wirtschaftlichen Druck, in Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, das politische Ziel zu erreichen, begründen durchaus die Fragestellung nach einer möglichen „aggressiven“ Außenpolitik.

Ein weiteres Manko, so Scholtyseck, sei, dass sich kein langfristiges, schriftlich fixiertes Konzept der Außenpolitik der DDR erkennen ließe.[5] Ein solches ist meiner Meinung nach eben im steten Bestreben nach Anerkennung als zweiter deutscher Staat zu finden. Dieser Wille aber hing von externen und internen Faktoren ab und aus diesem Grund waren die außenpolitischen Konzepte mehr reaktiv denn aktiv.

[1] Vgl. Winzer, Otto: Deutsche Außenpolitik des Friedens und des Sozialismus, Berlin (Ost) 1969, S. 22; Muth, Ingrid: Die DDR-Außenpolitik 1949–1972. Inhalte, Strukturen, Mechanismen, Berlin 2000, S. 49.
[2] Vgl. Muth, Ingrid: Die DDR-Außenpolitik 1949–1972, S. 15.
[3] Vgl. Siebs, Benno-Eide: Die Außenpolitik der DDR 1976–1989. Strategien und Grenzen, Paderborn u.a. 1999, S. 36.
[4] Scholtyseck, Joachim: Die Außenpolitik der DDR, München 2003, S. 67.
[5] Vgl. Scholtyseck, Joachim: Die Außenpolitik der DDR, S. 137.

  • Preis: 4.00 €