Publikationen

Suchmaske
Suche schließen

Heft 107: Die Nachrichtendienstschule

Der I. Kursus der Schule des Instituts für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF)

Von: Helmut Müller-Enbergs

Heft 107: Die Nachrichtendienstschule

Reihe "Hefte zur ddr-geschichte", Heft 107, 56 S., A5, 3 Euro plus Versand

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Reihe "Hefte zur ddr-geschichte", Heft 107, 56 S., A5, 3 Euro plus Versand

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

INHALT

Einleitung
I. Ort der Schule - Camouflage - Isolation
II. Auswahl der Kursanten - Auswahlkriterien - Frauen -Westverwandtschaft - Privatsphäre
III. Leitung der Schule
IV. Der Lehrkörper
V. Lehrplan
VI. Durchgehende Prüfung
VII. Rolle der Partei
VIII. Ein Fazit

Anhang:
Leitung der Schule
Partei, Sekretariat und technisches Personal
Lehrer, Kursanten des I. Kursus
Quellen

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

LESEPROBE

Einleitung

Im Herbst 1951 entstand innerhalb des Instituts für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF), wie der Vorläufer der Hauptverwaltung A (HV A) hieß,[1] die Idee, den nachrichtendienstlichen Nachwuchs eigens an einer Schule ausbilden zu lassen. Rund dreißig Schüler besuchten in der Zeit vom April 1952 bis zum September 1953 die zuletzt als „Objekt S“[2] bezeichnete Ausbildungsstätte. Ihren ersten Sitz hatte sie im Berliner Stadtteil Niederschönhausen. Dieser I. Kursus verdient besondere Aufmerksamkeit, weil einige der Kursanten später langjährig tätige Kader der HV A wurden, die prägend für die Wirkungsgeschichte der DDR-Spionage werden sollten.

Zugleich verbirgt sich in diesen Kursen und insbesondere in diesem I. Kursus einer der Schlüssel, der zum „Erfolg“ dieses Nachrichtendienstes beigetragen hat. Unbestritten gelang es dem Nachrichtendienst, erheblichen Einblick in Entscheidungsabläufe der Bundesrepublik zu gewinnen, was üblicherweise – und auch zutreffend – damit erklärt wird, dass die HV A die systembedingten Vorteile der SED-Diktatur ausschöpfen konnte, denen sich auf der Gegenseite die Dienste in der Bundesrepublik nicht bedienen konnten: Die physische Abschottung des Staates DDR und somit auch die Absicherung eigener nachrichtendienstlicher Strukturen konnte sie ebenso zu ihrem Vorteil nutzen wie das umfassende Equipment des Ministeriums für Staatssicherheit mit seinen zuletzt 91.015 hauptamtlichen und 174.200 inoffiziellen Mitarbeitern. Neben diesen personellen und materiellen Ressourcen existierte eine vergesellschaftete Sicherheitsdoktrin, die in dieser Intensität in der Bundesrepublik, trotz eines stellenweise leidenschaftlichen Antikommunismus, nie existiert hat. All dies erklärt jedoch nur unzureichend die noch heute anzutreffende Moral der ehemals operativen und leitenden Mitarbeiter der HV A, nach dem die systembedingten Faktoren mit dem Beitritt zur Bundesrepublik entfallen sind. Es müssen folglich noch weitere Erklärungsmuster angenommen werden. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob nicht die hauptamtlichen Mitarbeiter der HV A durch den Dienst, aber insbesondere durch den Besuch seiner Schule Prägungen erfahren haben, die sie gegenüber „gegnerischen“ Einflüssen intellektuell und emotional so hinreichend abschotteten, dass sie lebenslang fortwirkten.

Der I. Kursus des IWF ist in der Literatur kaum erwähnt worden. Lediglich zwei Erinnerungsberichte von Kursanten liegen vor: Einer stammt vom letzten Leiter der HV A, Werner Großmann, der in seinen Erinnerungen diesem Kapitel seines Lebens rund zehn Seiten gewidmet hat; der andere von Klaus Rösler, der auf zwei Seiten seiner Geschichte zur HV A auf diese Schule verwiesen hat. Das Archivmaterial zu dieser Schule muss als vollständig vernichtet gelten, sodass im Stasi-Unterlagen-Archiv auf weit verstreute Belege und Hinweise wie auch auf Gespräche mit drei Zeitzeugen zurückgegriffen werden musste. Einer der Zeitzeugen besuchte den I. Kursus, wünscht aber anonym zu bleiben, die beiden anderen, Kurt Gailat und Markus Wolf, waren leitende Mitarbeiter der HV A. Insoweit fasst dieser Beitrag auch erstmalig die bislang entdeckten Angaben zu diesem I. Kursus zusammen.

[1] Die DDR-Aufklärung firmierte zunächst unter dem Namen Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (1951 bis 1953). Nach der Integration in das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) bzw. Staatsekretariat für Staatssicherheit (SfS) im Ministerium des Innern (MdI) arbeitete sie als Hauptabteilung XV (1953 bis 1956) und nannte sich in dieser Zeit intern Außenpolitischer Nachrichtendienst (APN), später unter der Bezeichnung Hauptverwaltung A (1956 bis 1989/90).

[2] Die interne Bezeichnung variierte: Objekt VII, Objekt 9, Schule der HV A oder Sektion A der Juristischen Hochschule des MfS. Vgl. Befehl 48/59; BStU, ZA, DSt 100245; zitiert nach: Günter Förster: Die juristische Hochschule des MfS. Berlin 1996, S. 21.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

  • Preis: 4.00 €