Freitag, 12. März 2010, 10:00 bis 18:00, Nachbarschaftshaus (NHU e.V.), Urbanstraße 21, 10961 Berlin

Der Öffentliche Beschäftigungssektor in Berlin

Praktische Erfahrungen, Vergleiche, Chancen und Grenzen

Konferenz der "Hellen Panke" e.V. - Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin gemeinsam mit der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus

Im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) in Berlin verrichten rund 7.500 ehemalige Erwerbslose gesellschaftlich sinnvolle und notwendige Arbeit, die ihnen neue berufliche Perspektiven eröffnet. Und das in regulären Beschäftigungsverhältnissen zu Tariflöhnen, mindestens aber 7,50 Euro die Stunde.

Nach knapp vier Jahren ÖBS liegt jetzt eine wissenschaftliche Auswertung vor. Sie untersucht, ob die Arbeit in diesem Bereich die Lebensbedingungen der dort Beschäftigten positiv verändert und den sozialen Zusammenhalt in der Stadt verbessert hat. Die Studie zeigt die Chancen, aber auch die Grenzen des Berliner ÖBS-Modells unter den Bedingungen von Hartz IV auf.

Auf der Konferenz werden die Ergebnisse dieser Studie vorgestellt und diskutiert. Die praktischen Erfahrungen von Beschäftigten und Bildungsträgern werden dabei genauso einfließen wie die unterschiedlichen Kritikpunkte am Berliner ÖBS und die Erfahrungen mit anderen Formen öffentlich geförderter Beschäftigung in anderen Bundesländern.

Abschließend stellen sich die Fragen: ist das Modell ÖBS eine taugliche Strategie zur Schaffung von existenzsichernden und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in einem dritten Sektor zwischen Markt und Staat? Und handelt es sich um einen Weg, die Hartz-IV-Logik zu überwinden?

Die Konferenz wurde durch die Senatsverwaltung IAS als Bildungsveranstaltung gemäß §11 Berliner Bildungsurlaubsgesetz anerkannt. Berechtigte haben zur Veranstaltungszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit/Ausbildung. Nähere Informationen erteilt die „Helle Panke“ unter: info@helle-panke.de oder 030-4753 8724.

Die Teilnahmegebühr beinhaltet ein Mittagessen und beträgt 5 Euro. Leistungsempfänger, die Kostennachlass wünschen, melden sich bitte unter: felix.lederle@die-linke-berlin.de

Zeitplan und Ablauf der Konferenz

10.00 Uhr
Begrüßung durch Prof. Dr. Klaus Steinitz, Vorsitzender der "Hellen Panke" e.V. - Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin und Elke Breitenbach, integrations- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion Berlin

10.20 Uhr
Einführung „Der ÖBS bewegt Berlin“ durch Carola Bluhm, Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales

11.00 Uhr
Präsentation der Ergebnisse der wissenschaftlichen Bestandsaufnahme zur Umsetzung des ÖBS in Berlin durch Dr. Alexandra Wagner, Forschungsteam internationaler Arbeitsmarkt (FIA)

12.00 Uhr
Nachfragen und Debatte mit Erfahrungsberichten u.a.von Dr. Reiner Aster, Geschäftsführer "gsub mbH", Gisela Pfeifer-Mellar, Geschäftsführerin "Goldnetz gGmbH" und ÖBS-Beschäftigten.

13.00 Uhr
Mittagspause und Markt der Möglichkeiten – Träger stellen sich und ihre ÖBS-Projekte vor

13.45 Uhr
Podiumsdiskussion und Debatte zum Thema „ÖBS – eine politische Alternative zu Hartz IV? – Erfahrungen mit öffentlich geförderter Beschäftigung im Vergleich“ mit Helmut Holter, Vorsitzender der Linksfraktion Mecklenburg-Vorpommern und Minister u.a. für Arbeit von 2002-06, Andreas Bernig, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Linksfraktion Brandenburg, Birke Bull, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion Sachsen-Anhalt und Elke Breitenbach, integrations-und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion Berlin

15.30 Uhr
Kaffeepause und Markt der Möglichkeiten – Träger stellen sich und ihre ÖBS-Projekte vor

16.00 Uhr
Podiumsdiskussion und Debatte zum Thema "Chancen und Grenzen des ÖBS" mit Dorothee Zinke, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Oswald Menninger, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin, Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin und Carola Bluhm

18.00 Uhr
Schlusswort durch Elke Breitenbach

Martin Kröger schrieb über die Konferenz im ND vom 13.3.2010, S. 15:

Bluhm will von der Leyen trotzen. LINKE zieht positive Bilanz des ÖBS und will Förderinstrument auch ohne den Bund weiterentwickeln.

Martin Kröger

Die Lebensqualität hat sich spürbar verbessert. »Endlich habe ich eine Stelle, die besser entlohnt wird als das Existenzminimum«, sagt Erich Köpp. Er werde nicht mehr sozial ausgegrenzt, kann mit Freunden das Wochenende verbringen oder einfach mal ins Kino gehen. Köpp ist über den Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS) beim Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Berlin-Kreuzberg-San Rafael del Sur in Nicaragua beschäftigt. In diesem Job sammelt er Fördergelder für Projekte im Partnerland.

Solche vom Land Berlin und dem Bund finanzierte Stellen haben in Berlin inzwischen rund 7600 Menschen. Für 1300 Euro Mindestlohn im Monat helfen sie bei Behördengängen von Migranten, als Schulhelfer, organisieren Sozialtreffs oder arbeiten im Kulturbereich – alles zusätzliche Tätigkeiten, die für die Stadtgesellschaft ein Gewinn sind und ansonsten nicht verrichtet werden würden. Seit nunmehr drei Jahren baut Rot-Rot den ÖBS auf. Nach Anfangsschwierigkeiten funktionierte das Referenzprojekt der LINKEN zuletzt besser, wird aber aktuell erneut massiv durch die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung und ihrer Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bedroht.

Die daraus resultierende große Unsicherheit unter Betroffenen und Trägern, wie es mit dem ÖBS weitergeht, war gestern auch im voll besetzten Saal des Nachbarschaftshauses in der Kreuzberger Urbanstraße zu spüren. Dorthin hatte die Linkspartei geladen, um den ÖBS in einer ganztägigen Konferenz zu bilanzieren.

Sozialsenatorin Carola Bluhm (LINKE) hob dabei die bundespolitische Vorbildfunktion des ÖBS hervor. Schließlich sei dieser genau das, was etwa die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen fordere. Dennoch räumte auch Bluhm ein, dass der Beschäftigungssektor zur Zeit in einer Krise steckt. Nach Umverteilungen von Jobcenter-Mitteln und dem Auslaufen des Bundesprogramms Kommunal-Kombi sind beide bisher genutzten Finanzquellen vom Bund versiegt. »Die Bundesregierung unternimmt alles, Berlin und den Beschäftigten Knüppel zwischen die Beine zu werfen«, sagt Bluhm. Dennoch wolle Rot-Rot mit dem ÖBS weitermachen und zumindest den Status Quo von 7600 Stellen halten.

Dafür hat sich der Senat mit der Agentur für Arbeit auf zwei neue Finanzierungsmöglichkeiten verständigt: Bei der einen sollen 62-Jährige bis zur Rente in ÖBS-Stellen arbeiten können, bei der anderen soll es eine Entgeltförderung geben. »Der ÖBS kann weitergehen«, betont Bluhm.

Den bisherigen Verlauf der Berliner Idee, Langzeitarbeitslose für gesellschaftlich notwendige Beschäftigung zu fördern, hat das Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt (FIA) untersucht. Das Ergebnis: »Die Schaffung von Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose ist im nennenswerten Umfang gelungen«, sagt die Wissenschaftlerin Alexandra Wagner. Auch das Ursprungsziel, die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, hat der ÖBS erreicht. Und dies für Menschen, die teilweise seit der Wende ausgegrenzt wurden und seitdem ohne Arbeit waren.

Die Betroffenen sehen ihren Job, so die Umfrage des Forscherteams, extrem positiv: 90 Prozent sagten demnach, dass ihre Arbeit gebraucht werde und keine Beschäftigungstherapie sei. Aber es gibt auch Kritik. Insbesondere das geringe Entgelt und die unsichere Perspektive werden moniert.

Für Sozialwissenschaftlerin Wagner ist der ÖBS denn auch nur eine Zwischenstufe, zumal die IHK, Handwerkskammer und Gewerkschaften Kritik an dem Modell üben. Letztlich sollte der ÖBS professionalisiert werden und in eine berlinpolitische Initiative zur Stärkung öffentlich finanzierter Beschäftigung münden.

Fraktion DIE LINKE im AGH Berlin

Kosten: 5 Euro

Wo?

Nachbarschaftshaus (NHU e.V.)
Urbanstraße 21
10961 Berlin