Nachruf auf unser langjähriges Mitglied Prof. Dr. phil. Wolfgang Triebel (1930-2024)

06.02.2024
Foto: privat

So hatte sich Wolfgang Triebel seine zweite Lebenshälfte nicht vorgestellt. Der promovierte Theaterwissenschaftler und habilitierte Politikwissenschaftler war seit Jahren erfolgreich als Hochschullehrer an der Berliner Humboldt-Universität tätig. Sozialismustheorie und vor allem internationale Beziehungen waren seine Themen, mit denen er die Studentenschaft begeistern wollte. Früh wandte er sich der Friedensforschung zu, einem bemerkenswerten Ansatz der DDR-Gesellschaftswissenschaften, sich den neuen Herausforderungen einer Welt zwischen der Gefahr einer nuklearen Katastrophe und dem mühsamen politischen Suchen nach Auswegen zu stellen.

Das Ende des staatssozialistischen Systems in der DDR 1989 schien kurzzeitig neue Horizonte und Chancen zu eröffnen für ein künftiges friedliches Zusammenleben der Staaten und für eine demokratisch-sozialistische Erneuerung der DDR. Wolfgang Triebel aber erlebte wie die meisten seiner Landsleute, dass diese Hoffnungen zerstoben, keine neue DDR entstand. Vielmehr zerstörte ein mächtiges westdeutsch geprägtes Gesamtdeutschland schnell die hehren Erwartungen an eine bessere Gesellschaft und eine deutsche Vorreiterrolle für Frieden und das Zusammenleben der Völker.

Die Übernahme der DDR durch den Westen kostete ihn, wie den meisten seiner Kolleginnen und Kollegen, den Job, der Berufung war. Sich in die Ecke zurückzuziehen in Selbstmitleid und Weltschmerz war sein Ding nicht. "Das Vergangene auf neue Weise überschauen und beurteilen", war sein Credo. Und dieses Wissen nutzen, für neue Einsichten und das Einmischen im Ringen um eine friedliche, auch linke Zukunft. Er engagierte sich in der PDS. Wer ihn kannte, wusste um seine Begeisterungsfähigkeit, seinen Willen, verändernd in die Speichen der Geschichte einzugreifen, sein umfangreiches historisches und politisches Wissen gegen den Mainstream einzusetzen.

Er war einer der nicht wenigen linken, marxistisch ausgerichteten Intellektuellen, die sich für die Schaffung einer alternativen Wissenschaftskultur jenseits der institutionalisierten und "systemnahen" Strukturen einsetzte. Dies unter Nutzung der Möglichkeiten des vereinten Deutschland, das seine ungeliebte intellektuelle Ost-Erbschaft ruhigstellen wollte. Spätestens 1992 stieß er zur Hellen Panke, er war im Luisenstädtischen Bildungsverein aktiv, baute die AG Friedenspolitik mit auf, war regelmäßiger Autor einer einst wichtigen Zeitschrift der RLS, Utopie kreativ. Die Friedensfrage mit ihren Verästelungen und Konflikten blieb für ihn ein wichtiges Thema, nicht zuletzt angesichts des Wiedererstarkens einer deutschen "Normalität", die Militärmacht und Militarismus verpflichtet war. Er beackerte das Feld der deutschen Sozialdemokratie, so auch das Leben Otto Grotewohls, mit ihren Sozialismusambitionen, dem Bekenntnis zur deutschen Einheit unter linken Vorzeichen.

Die Helle Panke konnte sich auf ihn verlassen, auch wenn seine Gesundheit ihn in den letzten Lebensjahren einschränkte. Eine Reihe von Veranstaltungen zur Friedensfrage oder zur Biografie Otto Grotewohls steht in unseren Annalen, wichtige Texte von ihm finden sich in unseren Reihen hefte zur ddr-geschichte und Pankower Vorträge. Seine Bücher und Broschüren zu dem Sozialdemokraten, der erster Ministerpräsident der DDR wurde, sind erschienen und immer wieder Texte zum Thema Frieden: "Friedliche Politik setzt die Vernunft der Politiker voraus", die Hoffnung, die sich für das Kriegskind bislang nicht erfüllt hat.

Wolfgang Triebel wird uns fehlen, der Vernunft und dem Leben immer wieder eine Chance zu geben.

Dr. Stefan Bollinger
Stellvertretender Vorsitzender Helle Panke e.V.